Zahnschmelz besteht zu über 90 Prozent aus dem Mineral Hydroxylapatit. Hydroxylapatit löst sich in saurem Milieu auf – langsam, aber sicher. Die Säureempfindlichkeit von Hydroxylapatit liegt an der Wurzel der zwei wichtigsten Zahnprobleme: Karies und Schmelzerosion.

Zahncremes mit Fluorid “härten” den Zahnschmelz, indem sie Hydroxylapatit an der Schmelzoberfläche in Fluorapatit umwandeln. Dadurch wird der Schmelz eigentlich nicht unbedingt härter – aber sehr viel säureunempfindlicher. Heute haben fluoridhaltige Zahncremes im deutschsprachigen Raum Marktanteile von über 90 Prozent.  Und es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass Fluoridierungsmaßnahmen (Zahncreme, Fluoretten, fluoridiertes Salz, in einigen Ländern auch Trinkwasserfluoridierung) eine wichtige  Rolle für den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Rückgang der Karies spielten und spielen.

Kariesfrei, aber erodiert

Weniger gut sieht die Lage an der Schmelzerosions/-abrasions-Front aus. Zahnärzte bemerken an den Zahnoberflächen ihrer Patienten heute deutlich mehr Ausdünnung des Zahnschmelzes. So gut wie alle diese Patienten putzen mit Fluorid-Zahnpasta – offenbar bieten fluoridierte Zahncremes bei aller schmelzhärtenden Wirkung also keinen ausreichenden Erosions- und Abrasions-Schutz.

Woran der Schmelzverlust liegt, weiß man nicht wirklich. Schrubben die Patienten einfach zu stark und zu häufig? Essen und vor allem trinken sie zu viel Säurehaltiges? Oder wird Fluorapatit etwa leichter “weggeputzt” als Hydroxylapatit?

Auf der Suche nach Möglichkeiten, Kariesschutz und Schutz vor Schmelzerosion zu verbinden, weckt unter anderem nano-Hydroxylapatit (nano-HA) das Interesse der zahnmedizinischen Forschung.

Zahncremes mit nano-Hydroxylapatit

Wie so manches stammt auch die Idee, synthetisches Hydroxylapatit zur Remineralisierung demineralisierter Zähne zu verwenden, ursprünglich aus der Raumfahrt (wurde dort aber wohl nur erwogen, aber nicht angewendet): Demineralisierung von Zähnen und Knochen ist bei Astronauten ein typisches Problem. Ein entsprechendes Patent erwarb das japanische Unternehmen Sangi Co. In den Siebzigerjahren von der NASA – und stellte 1980 mit Apadent die erste  Hydroxylapatit-Zahncreme vor. Nach mehreren Feldstudien, unter anderem mit japanischen Schulkindern, erkannten die japanischen Gesundheitsbehörden Sangis medizinisches Hydroxylapatit als Antikaries-Wirkstoff an.

Erst nach der Jahrtausendwende waren nano-HA Zahncremes auch in Europa erhältlich – und wurden hier mit Skepsis begrüßt. Zahnärzte raten von den neuen Produkten sicherheitshalber eher ab, und auch die deutsche Stiftung Warentest bewertet BioRepair und ApaCare wie jede andere Zahncreme, die kein Fluorid enthält, ohne weitere Differenzierung mit “Ungenügend”.

Was die Hersteller versprechen

Hersteller versichern, nano-Hydroxylapatit würde sich als naturidentische Schutzschicht auf der Zahnoberfläche ablagern und so tatsächlich erodierten Schmelz ersetzen.

Zudem sollen die winzigen Kristalle im Bereich freiliegender Zahnhälse die Öffnungen der Dentintubuli verstopfen (das sind kleine Kanälchen, die ins Innere des Zahns führen), und so sensitive Zähne sehr schnell beruhigen. (Dentintubuli gelten heute als die Hauptschuldigen bei überempfindlichen Zähnen, weil sie Reize von der Zahnoberfläche direkt bis in die Nähe des Zahnnerven leiten können.)

Plaque-bildende Bakterien haben zudem eine hohe Affinität zu Hydroxylapatit. Die hilft ihnen, sich an der Zahnoberfläche festzusetzen – und könnte das Putzen oder Spülen mit nano-HA besonders wirkungsvoll machen: Auch am synthetischen Hydroxylapatit haften die Keime gut und wandern so mit Spülwasser und Zahnpastaresten in den Abfluss. (Tatsächlich erwähnen Probenutzer öfter, wie glatt (=plaquefrei) sich die Zähne nach dem Putzen mit nano-HA Zahncreme anfühlen.)

Allerdings: Die behaupteten Effekte sind weniger gut und eindeutig belegt, als die Hersteller es ihre Kunden glauben machen wollen. Trotzdem sind die Hypothesen zur möglichen Wirksamkeit von nano-Hydroxylapatit nicht unplausibel: Sie haben es verdient, unvoreingenommen überprüft zu werden.

Im nächsten Beitrag lesen Sie, was die Forschung zur Wirksamkeit von nano-HA Zahncremes bis heute zusammengetragen hat.

 

(Foto © Lucky Business, shutterstock.com)


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