Im vorigen Beitrag haben Sie die Fluorverbindungen in den hierzulande angebotenen Zahncremes näher kennengelernt. Hier geht es nun darum, wie sich diese Stoffe in ihrer Wirkung unterscheiden – und für welchen Sie sich im Zweifelsfall entscheiden sollten.

Auf die Fluorid-Schutzschicht kommt es an

Am effizientesten, so ist sich die Forschung heute sicher, wirkt Fluorid gegen Karies, wenn es sich an der Oberfläche des Zahns befindet: Der Zahnschmelz sollte idealerweise stets von einer Schicht Fluorid (in Form von Calciumfluorid) benetzt sein. Lösen sich infolge eines Säureangriffs durch Nahrungssäuren oder Plaquebakterien Mineralien aus dem Zahn, kann Fluorid sie an Ort und Stelle „abfangen“ und den Schmelz sofort remineralisieren.

Kurze Erläuterung: Das Schmelzmineral Calzium-Hydroxylapatit steht an der Zahnoberfläche im Gleichgewicht mit seinen gelösten Bestandteilen – mit Calzium, Phosphat und basischen Hydroxylionen. Säuren an der Zahnoberfläche neutralisieren die Hydroxylionen zu Wasser und entziehen sie so diesem Gleichgewicht – mit dem Ergebnis, dass sich mehr Schmelz auflöst. Ist Fluorid präsent, wird automatisch gegengesteuert: Aus Calcium, Phosphat und Fluorid entstehen auf der demineralisierten Stelle Flecken aus festem Calcium-Fluorapatit – und dieser hervorragende „Ersatz-Schmelz“ ist nicht mehr säureempfindlich.

Die Calciumfluorid-Schicht lässt sich auf Schmelzproben unter dem Elektronenmikroskop visualisieren: Man erkennt dicht an dicht sitzende Kügelchen, die den Schmelz in mehreren Lagen bedecken können. Diese schützende Schicht, obschon nicht fest gebunden, ist durchaus widerstandsfähiger, als man meinen könnte: Nach einer zahnärztlichen Fluoridierung weist die Oberfläche des Schmelzes auch nach Monaten noch deutlich mehr Calciumfluorid auf als bei unbehandelten Zähnen, und nach dem Putzen oder Spülen mit fluoridhaltigen Zahncremes bzw. Mundwässern bleibt die Calciumfluorid-Schutzschicht immerhin für ein paar Stunden nachweisbar.

 

Natriumfluorid – wirksam. Aber es geht noch besser, meint man heute.

Die kariesprotektive Qualität einer Zahncreme muss sich nach heutigen Erkenntnissen daran messen lassen, wie gut es ihr gelingt, Fluorid an die Schmelzoberfläche zu schaffen.

Zahncremes mit Natriumfluorid machen eine Sache auf jeden Fall richtig: Sie bringen beim Putzen Fluoridionen in den Mund. Den Weg aus dem Putzschaum an die Zahnoberflächen müssen die Kariesschützer dann aber mehr oder weniger allein finden – und zwar möglichst rasch, bevor der Putzvorgang beendet ist und der Schaum wieder ausgespült wird.

 

Aminfluorid – ideal, sagt die Forschung.

Während die Entdeckung der kariesprotektiven Wirkung der Fluoridsalze Natrium- und Zinnfluorid quasi ein Zufall war, sind Aminfluoride das Ergebnis gezielter Suche nach dem perfekten Fluorid für die Zahnpflege. Und diese Suche hat sich gelohnt: Während das banale Natriumion aus Natriumfluorid keine zusätzliche sinnvolle Wirkung entfaltet, wirkt das lange, wasserabweisende Amin-“Ende“ des Aminfluorids wie ein Schnellzug, der das Fluorid direkt an alle Zahnoberflächen befördert. (Aminfluorid ist ein sogenanntes oberflächenaktives Molekül.)

Das hat nachweisliche Vorteile: Es konnte in mittlerweise etlichen Studien gezeigt werden, dass die Schmelzoberfläche nach dem Putzen mit Aminfluorid schneller und mehr Fluorid aufnimmt als mit Natriumfluorid – das bezieht sich sowohl auf in Form von Fluorapatit fest gebundenen Fluor als auch auf die locker anhaftende Calziumfluorid-Schicht.

 

Lohnt sich der Wechsel?

Das heißt nun nicht, dass jeder, der mit einer natriumfluoridhaltigen Zahncreme putzt, unbedingt wechseln muss. Auch die individuelle Zusammensetzung des Speichels kann bei der Ausbildung der Fluorid-Schutzschicht eine fördernde oder eventuell hemmende Rolle spielen – und wenn Sie keine Probleme mit Karies haben, funktioniert bei Ihnen wahrscheinlich alles blendend.

Aber falls Sie trotz gewissenhafter Mundhygiene mit natriumfluoridhaltigen Produkten immer wieder Karies entwickeln, könnte der Wechsel zu einem Aminfluorid etwas bringen. Sinnvoll ist weiterhin eine fluoridhaltige Zahncreme mit leicht saurem pH (das sind allerdings ohnehin die meisten): Zwar erscheint dies zunächst kontraintuitiv (vor Säureangriffen wollen wir unsere Zähne ja gerade schützen) – aber es wurde nachgewiesen, dass solche Zahncremes, indem sie den Schmelz zunächst ganz leicht anlösen, eine dickere und besser haftende Calziumfluorid-Schutzschicht auf dem Zähnen aufbauen können als pH-neutrale Produkte.

 

Zinnfluorid: Antibakterieller Bonus, besonders für Parodontose-Patienten!

Zahncremes, die Natrium- oder Aminfluorid mit Zinnfluorid kombinieren, wird von der Forschung eine höhere Aktivität gegen Plaque-bildende Bakterien bescheinigt als Produkten ohne Zinnfluorid. Zinnfluorid erweist sich dabei übrigens auch gegenüber dem umstrittenen Desinfektionsmittel Triclosan, das in manchen Zahnpasten steckt, als überlegen.

Zahncremes, die zusätzlich zu einer anderen Fluoridquelle Zinnfluorid enthalten, sind daher besonders gut für Menschen geeignet, die an Zahnfleischbluten, Gingivitis bzw. Parodontitis leiden.

 

Fazit:

Nach einer Empfehlung für die optimale Zahncreme gefragt, neige ich daher der Antwort Aminfluorid plus Zinnfluorid zu. Genauso sinnvoll, zumindest für Patienten ohne Zahnfleischprobleme, ist aber auch die wöchentliche Anwendung von Elmex Gelee zusätzlich zum normalen Putzen mit der gewohnten Natriumfluorid-Zahncreme – dieses und einige wenige andere Fluoridgele enthalten nämlich auch reichlich Aminfluorid.


(Foto: ©pikselstock, shutterstock.com)

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