Natriumfluorid, Aminfluorid, Zinnfluorid – alles dasselbe?

Jeder weiß: Fluorid in Zahnpasta beugt Karies vor. Nun gibt es aber unterschiedliche Fluoride, die – einzeln oder in verschiedenen Kombinationen – modernen Zahnpflegeprodukten zugesetzt werden. Eigenschaften und Wirkungen der verschiedenen Fluoridverbindungen sind durchaus nicht immer ganz dieselben. Wissbegierige Inhaltsstofflistenleser erfahren hier mehr.

Natriumfluorid und Aminfluorid: Fluoride “fürs Volk“ und für “Besserputzer“?

Die meisten Zahncremes enthalten Natriumfluorid – die ganz großen Haushaltsnamen (die verschiedenen Colgate-Produkte, Blend-a-med, Signal, Odol-med3) sind heute Zahnpasten mit Natriumfluorid. Lediglich das Klassiker-Duo Aronal und Elmex enthält Natriumfluorid in der einen (Aronal) und das Aminfluorid Olaflur in der anderen (Elmex) Tube.

Unter den Inhaltsstofflisten einiger bekannter und weniger bekannter (und gewöhnlich etwas teurerer) Produkte finden sich weitere Fluoridverbindungen. Die recht populäre Zahncreme Meridol enthält eine Kombination von Aminfluorid und Zinnfluorid. Aminomed von Dr. Liebe enthält Natriumfluorid und Aminfluorid, ebenso Pearls & Dents vom gleichen Hersteller. Das Nischenprodukt Lacalut mit dem auffälligen Schriftzug im Retrolook verwendet Aluminiumfluorid.

Lohnt sich die Mehrausgabe?

Für das französische Produkt Elgydium (mit Fluorinol, einem “Aminfluorid der neuesten Generation“) geben Sie mehr als dreimal so viel aus wie für eine Tube Colgate Komplett mit Natriumfluorid. Schützt Elgydium dann auch dreimal so gut vor Karies? Lesern, die sich nicht nur auf Werbeversprechen verlassen wollen, möchte ich hier zunächst die wichtigsten Fluoride in Zahncremes genauer vorstellen.

Natriumfluorid: Mit Abstand häufigster Fluoridlieferant

Natriumfluorid ist eine ganz einfache Verbindung: Hier sind ein Fluoridion und ein Natriumion durch ihre elektrische Anziehungskraft aneinander gebunden. Natriumfluorid ist daher im chemischen Sinn ein Salz, und es löst sich recht gut in wässrigen Flüssigkeiten, also auch im Speichel (wenn auch nicht so gut wie beispielsweise Kochsalz). Natriumfluorid bringt beim Zähneputzen Fluoridionen in den Mund – und nimmt damit die erste Hürde für eine erfolgreiche Kariesprophylaxe.

Allerdings nur, wenn die Zahncreme kein Kalzium enthält. Mit Kalzium bildet Fluorid nämlich noch in der Tube das schwer lösliche Kalziumfluorid – und ist damit für die Zahnpflege quasi verloren. Das muss Sie aber heute nicht mehr kümmern: Früher nutzten zwar viele Zahncremes Kalziumkarbonat (Kreide) oder Kalziumphosphat als Putzkörper zum Abschrubben von Plaque. Heute aber werden gewöhnlich Putzkörper auf Basis von kalziumfreier Kieselerde („Hydrated Silica“ in der Inhaltsstoffliste) verwendet, die mit Natriumfluorid nicht wechselwirken.

Aluminiumfluorid: Nur gezwungenermaßen

Aluminiumfluorid ist ebenso ein Salz wie Natriumfluorid. Im Gegensatz zu Natriumfluorid ist Aluminiumfluorid aber ähnlich schlecht in Wasser löslich wie Kalziumfluorid. Da Fluorid beim Zähneputzen nur als Fluoridion kariesprophylaktisch wirken kann, sind die Aussichten, dass Aluminiumfluorid in dieser Hinsicht etwas ausrichtet, ebenso gering wie seine Wasserlöslichkeit.

Es gibt daher eigentlich kein gutes Motiv, Aluminiumfluorid in einer Zahnpasta zu verwenden. In Lacalut findet sich Aluminiumfluorid aus einem Grund, der mit Kariesprophylaxe nichts zu tun hat: Besonderheit dieser Zahncreme ist ihr Gehalt an Aluminiumlaktat, einem Gerbstoff mit adstringierender Wirkung, der Zahnfleischbluten verhindert. Natriumfluorid in einem Präparat zu stabilisieren, das Aluminiumlaktat enthält, ist chemisch quasi unmöglich: Die aus Aluminiumlaktat leicht frei werdenden Aluminiumionen kombinieren sich mit ebenso leicht frei werdenden Fluoridionen, und der überwiegende Teil des Fluorids findet sich nach kurzer Zeit unfehlbar als schwer lösliches Aluminiumfluorid wieder. Aluminiumfluorid hilft zwar vermutlich wenig gegen Karies – aber Lacalut muss wenigstens nicht auf ein Fluorid in der Inhaltsstoffliste verzichten…

Zinnfluorid: Heute nur noch in Kombination mit anderen Fluoriden

Zinnfluorid ist ein Fluoridsalz mit sehr guter Wasserlöslichkeit – und damit eigentlich ein guter Kandidat für Zahnpflegeprodukte. Tatsächlich war die erste Zahnpaste mit Fluorid ein Produkt mit Zinnfluorid (der amerikanische Bestseller Crest). Das sehr reaktive Zinn-Ion allerdings neigt dazu, Probleme zu machen. Daher müssen Hersteller durch einige zusätzliche Reifen springen, um eine stabile Zahnpasta-Formulierung mit Zinnfluorid zu realisieren. Aus diesem Grund wurden später eingeführte Zahnpasten überwiegend mit Natrium-Monofluorophosphat oder Natriumfluorid versetzt – Natrium-Ionen sind Musterschüler in Sachen chemischer Stabilität.

In den letzten Jahren erlebt Zinnfluorid allerdings eine kleine Renaissance in Kombiprodukten mit Aminfluorid: Es hat sich erwiesen, dass Aminfluoride mit Zinnfluorid Komplexe bilden und den reaktiven Wirkstoff so abschirmen und stabilisieren können.

Aminfluorid: Produkte gezielter Entwicklungstätigkeit

Auch Aminfluoride sind chemisch als Salze zu klassifizieren. Im Vergleich mit Natrium- oder Aluminiumfluorid sind sie aber wesentlich komplizierter aufgebaut. Und sie sind das Resultat einer ganz gezielten Suche nach Fluoridverbindungen mit besseren Kariesprophylaxe-Eigenschaften. Der Schweizer Aronal-Hersteller GABA entwickelte und testete in den späten 1950er Jahren in seinen Labors mehrere Aminfluoride. Das Aminfluorid mit den besten Eigenschaften, Handelsname Olaflur, wurde zum Schlüsselingredienz von Aronals “Partner“ Elmex.

In Aminfluoriden ist das Fluorid-Ion an ein Fettsäureamin-Ion gebunden, ein relativ langkettiges organisches Molekül. Das Besondere an den Aminfluoriden ist ihre chemische „Doppelgesichtigkeit“. Sie kombinieren einen polaren, wasserlöslichen Amin-„Kopf“ mit einem langen, unpolaren Fettsäurerest-„Schwanz“. Das macht sie zu sogenannten oberflächenaktiven Stoffen: Sie können an Grenzflächen zwischen polaren und unpolaren Substanzen “vermittelnd“ wirken und beispielsweise die Benetzbarkeit von Oberflächen durch wässrige Lösungen verbessern.

Jetzt kommt leider eine schlechte Nachricht für strikte Vegetarier: Die Fettsäuren in Aminfluoriden sind gewöhnlich tierischer Herkunft – Olaflur beispielsweise wird unter Verwendung von Rindertalg hergestellt.

Natrium-Monofluorophosphat: Heute kaum noch genutzt

Natrium-Monofluorophosphat (MFP) bildet unter den Fluorverbindungen in Zahncremes eine Ausnahme: Hier ist Fluor nicht als Ion präsent, sondern in einer festen kovalenten Bindung, die sich nicht so spontan löst wie die Ionenbindung. MFP wurde seinerzeit als kreative Lösung des Problems der Kalziumfluoridbildung in Zahncremes mit Natriumfluorid und kalziumhaltigen Putzkörpern eingeführt (im Abschnitt zu Natriumfluorid wurde das Dilemma kurz angerissen) – der Stoff bleibt nämlich auch in kalziumreichen Zahnpasten relativ stabil.

Was dann im Mund mit MFP passiert – darüber sind sich die Forscher nie völlig einig geworden. MFP könnte direkt in den Zahnschmelz eingebaut werden, es könnte aber auch durch eine spontan stattfindende oder durch Enzyme im Speichel oder Plaque katalysierte Reaktion Fluoridionen freisetzen.

Die Frage ist allerdings heute nicht mehr ganz so dringend. Auch wenn Sie vielerorts noch lesen können, MFP sei ein ganz häufiger Fluoridlieferant in Zahnpasta, ist das (zumindest im deutschsprachigen Raum) eine deutlich überholte Information: Auch Aronal, hierzulande wohl der „Letzte der Mohikaner“ in Sachen MFP, hat den Stoff 2012 durch Natriumfluorid ersetzt.

Und nun … zur Wirkungsweise!

Jetzt kennen Sie die Fluorverbindungen in den hierzulande angebotenen Zahncremes. Im nächsten Beitrag wird es um die Unterschiede in der kariespräventiven Wirkung dieser Stoffe gehen.

(Foto: ©Eduard Stelmakh, shutterstock.com)


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