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Zahnschmelz, die sichtbare äußere Umhüllung unserer Zähne, ist mit Abstand das härteste Biomaterial. Da ist es schon etwas enttäuschend, dass uns ausgerechnet die festesten Bestandteile unseres Körpers mit ihrer Kariesneigung so viele Sorgen bereiten können.

Was macht unsere Zähne so anfällig für Karies?

Zahnschmelz besteht zu über 90 Prozent aus einem superharten Mineral namens Hydroxylapatit, das durch ein Proteingerüst strukturiert wird. Dentin, das etwas weichere Zahnbein unter dem Schmelz, enthält immerhin noch 70 Prozent Hydroxylapatit. Der harte Biostoff hat eine große Schwachstelle: seine Säureempfindlichkeit.

Auch wenn es nicht salzig schmeckt: Hydroxylapatit ist ein Salz und verhält sich in vieler Hinsicht ähnlich wie unser altbekanntes Kochsalz. Einerseits bildet es sehr harte Kristalle, andererseits hat es eine (im Vergleich zum Kochsalz natürlich geringere) Tendenz, sich in Flüssigkeiten kurzerhand in seine Bestandteile (Kalzium-, Phosphat- und Hydroxidionen) aufzulösen. Ebenso können die gelösten Salzbestandteile wieder aneinander binden und von neuem fest werden. So steht das feste Hydroxylapatit an der Zahnoberfläche in einem Gleichgewicht mit seiner im Speichel gelösten Form. Auch wenn Sie nichts davon bemerken – Ihr Zahnschmelz ist  immer “in Bewegung”!

Auflösung und Neubildung des Zahnschmelzes  – in der Zahnmedizin als Demineralisierung und Remineralisierung bezeichnet – halten sich normalerweise im Mund die Waage. In dieses Gleichgewicht greifen Säuren ein, indem sie einen der gelösten Salzbestandteile binden (chemisch gesehen neutralisieren sie das basische Hydroxidion). Der fehlende Bestandteil steht nun für die Neubildung von Hydroxylapatitkristallen nicht mehr zur Verfügung. Das Gleichgewicht von festem und gelöstem Hydroxylapatit ist zugunsten der Demineralisierung gestört und der Zahnschmelz beginnt, sich aufzulösen. Solche Schäden am Schmelz stehen in engem Zusammenhang mit dem Krankheitsbild der Karies.

Was sind das für Säuren, die den Zahnschmelz schädigen?

Natürlich enthalten säuerlich schmeckende Lebensmittel wie Obst, Joghurt, Essige und Erfrischungsgetränke Säuren. Solche Säuren können den Zahnschmelz kurzfristig aufweichen – das ist auch der Grund, warum Sie direkt nach dem Verzehr saurer Speisen und Getränke nicht zur Zahnbürste greifen sollten: Dann hobeln Sie sich nämlich Ihren Schmelz weg. Die Ursache von Karies sind diese Säuren jedoch normalerweise nicht. Sie werden rasch wieder aus dem Mund gespült, und ihr Effekt auf den Zahnschmelz wird vom Speichel in kurzer Zeit wieder neutralisiert.

Um vieles gefährlicher sind die Säuren, die als Stoffwechselprodukte von Bakterien im Zahnbelag direkt an der Zahnoberfläche entstehen. Zu den “Untermietern” unserer Mundhöhle gehören neben harmlosen, teils sogar nützlichen Bakterien und Hefen leider auch die Bakterienarten Streptococcus mutans und Streptococcus sanguis. Diese Kariesbakterien sind es in erster Linie, die auf der Zahnoberfläche aus Nahrungsresten und einem von den Bakterien abgesonderten “Kleber” den bakteriellen Zahnbelag (Plaque) bilden. Die Kariesbakterien im Plaque ernähren sich von Zucker, den sie nicht wie wir zu Kohlendioxid und Wasser “verbrennen”, sondern im Prozess der milchsauren Gärung zu Milchsäure umsetzen.

Diese von den Bakterien auf der Zahnoberfläche ständig ausgeschiedene Milchsäure taucht die Zähne quasi in ein Säurebad – hochgradig gefährlich für den Schmelz. Wird Plaque nicht entfernt und ist die Ernährung zuckerreich, kommt es fast unweigerlich zu Karies. Besonders gefährdet sind dabei Stellen, die Speichel und Zahnbürste kaum erreichen: Zahnzwischenräume, Fissuren in den Kauflächen der Backenzähne oder das Dentin unter lockeren oder schadhaften Füllungen.

Die Stadien der Karies

Der Schaden beginnt mit der sogenannten Initialkaries – kleinen oder größeren Stellen, an denen der Zahnschmelz demineralisiert ist. Weiße oder auch dunkel gefärbte Flecken deuten auf Initialkaries hin. Der ultimative Test ist die mechanische Probe mit der Sonde. Hier fühlt der Zahnarzt, ob der Schmelz im Vergleich zur Umgebung weicher ist. Ist das nicht der Fall, hat wahrscheinlich bereits die Spontanheilung einer Initialkaries durch Remineralisierung stattgefunden.

Initialkaries ist heilbar. Ist aber erst einmal das Gerüst zerstört, an dem sich Hydroxylapatit wieder anlagern kann, ist eine Reparatur nicht mehr möglich: Der Zahn bekommt ein Loch. Dehnt sich die Karies im weicheren Dentin  unter dem Zahnschmelz in Tiefe und Breite aus, spricht man von Dentinkaries. Die tiefer gelegene Demineralisierungsfront ist nun für den Speichel weitgehend unzugänglich. Die einzige Art, die Karies zu stoppen, ist jetzt die Ausräumung und Komplettsanierung der Kavität durch den Zahnarzt. Die nächsten Stadien sind Karies profunda – die Destruktion reicht bereits bis ins innere Drittel der Dentinschicht – und Karies penetrans. Hier haben sich die Bakterien bis ins Zahnmark vorgearbeitet. Der empfindliche Zahnnerv liegt damit praktisch frei, und spätestens jetzt meldet sich ein heftiger Zahnschmerz.

Effektiver Kariesschutz – was wirkt, was wirkt nicht?

Kariesbakterien sind natürliche Mitbewohner unserer Mundhöhle. Schaden können sie uns nur, wenn sie

  • ein günstiges (=saures) Milieu und Nahrung (Zucker) vorfinden
  • sich ungestört auf der Zahnoberfläche einnisten, vermehren und ihre schmelzauflösenden Säuren produzieren können
  • ungehärteten Zahnschmelz vorfinden

Es ist wirklich so einfach: Regelmäßige, gründliche und richtig durchgeführte Zahnpflege, eine konsequent zuckerarme Ernährung und ein regelmäßiger Termin zur professionellen Mundhygiene verhindern Karies. Dass richtige Zahnpflege vor allem auch für Kinder und deren empfindliche Milchzähne sehr wichtig ist, versteht sich von selbst! Ein reicher Speichelfluss mit schwach basischem pH ist darüber hinaus ebenfalls eine gute Kariesversicherung. Ein Speicheltest kann sinnvoll sein, wenn es um die Einschätzung der Mundgesundheit geht. Hier werden Menge und pH-Wert des Speichels sowie die Zusammensetzung der Mundflora ermittelt.

Antibakterielle Mundspülungen wirken nicht gegen Plaque und sind damit kein effektiver Schutz vor Karies. Sie töten lediglich die Bakterien an der Oberfläche der Beläge ab, die Bakterienpopulation regeneriert sich in kürzester Zeit. Zudem attackieren desinfizierende Mundspülungen auch harmlose Arten der Mundflora.

Etwas spezifischer gegen Kariesbakterien wird der in Zahnpflegekaugummi entaltene Zuckeralkohol Xylit, ein künstlicher Süßstoff. Xylit setzt die Haftkraft der Bakterien auf den Zahnoberflächen herab – so können sie vom Speichel leichter weggespült werden. Übrigens hat bereits normaler zuckerfreier Kaugummi einen günstigen Effekt auf die Mundgesundheit: Der durch das Kauen angeregte Speichelfluss neutralisiert Säuren und unterstützt so die Remineralisierung des Zahnschmelzes.

Da Zahnbeläge die Tendenz haben, sich mit der Zeit zu Zahnstein zu verhärten, gegen den Zahnbürste und Floss machtlos sind, empfiehlt sich eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung. Dabei werden Plaque und Zahnstein gründlichst und  auch von unzugänglichen Stellen entfernt.

Eine unschlagbar effektive Möglichkeit, Zähne vor Karies zu schützen, ist immer noch die Fluorisierung.  Dabei ersetzt ein Fluoridion das basische Hydroxidion im Hydroxylapatit, aus Hydroxylapatit wird säureunempfindliches Fluorapatit. Fluorhaltige Zahnpasta und die Zahnhärtung mit Fluoridlacken bringen den Fluor in den Schmelz und stabilisieren ihn so gegen Säuren. Fluor hemmt außerdem den Stoffwechsel der Kariesbakterien.

Etwas Vorsicht ist auch hier geboten. Tut man vor allem in den ersten Lebensjahren zu viel des Guten (zum Beispiel durch Fluortabletten), kommt es zur Dentalfluorose, einer unschönen Veränderung des Zahnschmelzes durch ein Überangebot an Fluor. Symptome reichen von weißen Streifen oder Flecken bis hin zu gelben Verfärbungen oder sogar Verwachsungen des Zahnschmelzes. Bei einer professionell durchgeführten Fluorisierung besteht diese Gefahr jedoch nicht. Die Behandlung kann das gesamte Gebiss umfassen oder zur Remineralisierung einer Initialkaries gezielt zum Einsatz kommen.


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